Archiv der Kategorie: Geschichten

无为, wu wei, Nicht-Handeln in Spring

无为, wu wei

Aus dem Dao De Jing, Vers 37:

Handle ohne zu handeln
diene ohne zu dienen
schmecke ohne zu schmecken
Ob gross ob klein, je leichter etwas genommen wird
umso schwieriger wird es

Daher erachtet der Weise das Leichte als das Schwere
und so fällt ihm letztlich nichts schwer

übe dich im Nicht-Tun und alles wendet sich zum Guten
Die beste Übersetzung des Begriffes Wu Wei wäre somit „Nicht-Eingreifen“, „tätiges Nichthandeln“ bzw. „Handeln durch Nicht-Handeln“.

Oder wie es der Polizeichef im Film „Chinatown“ sagte:
Nichts tun, ausser es sei unbedingt erforderlich.

Do as little as possible

I Promessi Sposi

Als passende Lektüre während der Zeit eines Lockdowns empfehle ich “i Promessi Sposi” von Alessandro Manzoni. Die Kapitel 31 – 37 handeln von der Pestzeit 1630 in Milano. Drastische Schilderung der Zustände damals. Die Monatti, welche die Leichen wegschaffen oder die Kranken ins Lazaretto bringen mussten, und die Apparitori, die mit Schellen am Fussgelenk den Monatti vorausgingen, um sie anzukündigen. So schlimm ist es heute zum Glück nicht.
Obwohl, in Bergamo wurden Armeelastwagen eingesetzt, um die Toten weg zu transportieren. Ich hoffe, es kommt bei uns nicht so weit.
Gibt’s auch auf Deutsch “Die Brautleute” z.B. beim DTV als Taschenbuch, übersetzt von Burkhart Kroeber.

Totaliter Aliter

In einem Kloster lebten zwei Mönche, die oft über das jenseits sprachen, wie es dort wohl aussehen könnte. Sie versprachen sich gegenseitig, dass der, welcher zuerst sterben würde, dem anderen im Traum erscheinen und berichten sollte. Da sie nur sehr kurz Zeit hätten, sollte er nur sagen „taliter“ – es ist so, wie wir uns das vorgestellt haben, oder „aliter“ – es ist anders, als wir es uns vorgestellt haben. Der eine starb und erschien wirklich dem anderen im Traum. Da sie nur einen kurzen Augenblick Zeit hatten, fragte der Lebende “taliter?” der Verstorbene Schüttelte den Kopf und schwieg. Da fragte der unten “aliter?”. Der oben schüttelte wieder den Kopf und sagte dann: “totaliter aliter” (es ist völlig anders)

Ein echter Lockdown

Der Indische Guru Swami Balendu betrat am 10. September 1997 eine Höhle. Der Eingang wurde zugemauert und nur eine L-förmige Öffnung gelassen, durch die man Nahrung hineinschieben konnte. In dieser Höhle verbrachte er die folgenden drei Jahre und 108 Tage in Mantra Meditation, völlig abgeschieden von der Außenwelt. Er wollte völlig ungestört von äusseren Sinneseindrücken meditieren und so Gott näher kommen. Nach 3 Jahren und 108 Tagen wurde die Höhle geöffnet und der Swami von einer grossen Menge begrüsst. Der Mann, der am 24. Dezember 2000 aus der Höhle kam, hat sich im äußeren Erscheinungsbild nicht sehr viel verändert, doch seine Sicht der Welt hat sich in diesem langen Rückzug sehr verändert. Er fand heraus, dass es keinen Gott gibt. Er wollte nicht mehr das Leben eines Guru leben. Er hat erkannt, dass niemand höher oder niedriger steht, besser oder schlechter ist, als irgendjemand anderes. Er möchte nur ein Freund sein und die Heilenergie der Liebe mit denjenigen teilen, die sie brauchen.

Esels-Diskussion

DISKUTIERE NICHT MIT ESELN
Der Esel sagte zum Tiger: – „Das Gras ist blau.“
Der Tiger antwortete: – „Nein, das Gras ist grün.“
Die Diskussion entbrannte und die beiden beschlossen, die Frage einem Schiedsverfahren vor dem Löwen, dem König des Dschungels, zu unterwerfen.
Noch bevor er die Lichtung im Wald erreichte, wo der Löwe auf seinem Thron saß, begann der Esel zu schreien: „Eure Hoheit, ist es wahr, dass das Gras blau ist?“
Der Löwe antwortete: – „Richtig, das Gras ist blau.“
Der Esel beeilte sich und fuhr fort: – „Der Tiger widerspricht mir und ärgert mich, bitte bestrafe ihn!.”
Der König erklärte daraufhin: – „Der Tiger wird mit 5 Jahren Schweigen bestraft.“
Der Esel sprang glücklich auf und setzte seinen Weg fort, indem er wiederholte: – „Das Gras ist blau“ …
Der Tiger nahm seine Strafe an, fragte aber zuerst den Löwen: – „Eure Majestät, warum haben Sie mich bestraft? Schließlich ist das Gras grün!“
Der Löwe antwortete: – „Das Gras ist tatsächlich grün.“
Der Tiger fragte: – „Warum bestrafst du mich dann?“
Der Löwe: – „Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob das Gras blau oder grün ist. Die Strafe liegt darin, dass es für ein tapferes und intelligentes Wesen wie dich nicht angebracht ist, sich mit einem Esel zu streiten, und dann zu mir zu kommen, um mich mit dieser Frage zu belästigen.”

Der Kaiser von China

Der Kaiser von China spielt mit einem Bauern Schach. Nachdem er das Spiel verloren hat, ist der Kaiser großzügig und will dem Bauern jeden Wunsch erfüllen. Der Bauer gibt sich bescheiden und verlangt für das erste Schachfeld ein Reiskorn, für das zweite zwei Reiskörner, usw. Allgemein formuliert verlangt er für jedes Schachfeld doppelt so viele Reiskörner wie für das Vorhergehende.

Allgemeine Formel: a1 = Ausgangswert, hier 1.
Anzahl a auf Feld n: (an) = a1*q^(n-1)
Der Multiplikationsfaktor q ist hier 2. Auf dem letzten Feld sind dann 2^63 Körner: (a64) = 9.223.372.036.864.775.808
Die Mathematiker nennen das eine Exponentialfunktion:
f(x) = b*a^x. Auch bei Corona könnten wir in ein exponentielles Wachstum geraten, wenn der Anstieg der Fallzahlen so weitergeht.

Kluge Leute haben das Gewicht ausgerechnet. Rechnet man .03 g pro Reiskorn sind dies 9.223.372.036.864.775.808 x 0,03 g ≈277 Milliarden Tonnen
Summiert man alle Körner auf dem Brett: Summe (a) =a1*(q^n-1)/(q-1)= 18.446.744.039.484.029.952, ergäbe dies 540 Milliarden Tonnen.
Der Kaiser konnte also niemals den Wunsch des Bauern erfüllen!

Liebe und Tod in der Steppe

Zelt des Chefs der Chichi Kurden (1850)

Noch eine schöne Geschichte von der ich leider nur einen kurzen Auszug habe.
Liebe und Tod in der Steppe. Das Epos von Dewresch, Sohn des Evdi

Edule trat ein, gefolgt von den andern Mädchen. Die Versammelten sassen auf drei Seiten des Häuptlingszeltes und schwiegen: hier die Stammesführer, dort die Viehdiebe und Räuber der Wüste, auf der dritten Seite die Alten und Greise. Edule rief mit lauter Stimme: Männer, die ihr hier versammelt seid, mein Herz ist verwundet. Begs und Stammesführer der Milan, hört mir zu, ich spreche zu euch allen!…..

Der Held Dewresch kämpft mit seinen Gefährten gegen eine Übermacht feindlicher Stämme in der Hoffnung, Adule, die Tochter seines Stammesführers zu gewinnen. 
Die Geschichte von Dewresch wird von kurdischen Sängern seit 200 Jahren mündlich überliefert. 1987 sprach der Sänger Baqi Xido das Epos in Syrien auf Band. 1988 schrieb es sein Landsmann Sahin Sorekli in Australien nieder. 2017 veranstaltete Barbara Sträuli in Zürich eine Lesung des Textes mit den Schauspielern Lukas Kubik und Danny Exnar.

Hier ein Audio Ausschnitt der Lesung: http://www.erzaehlspuren.ch/audio.html

Das Buch von Barbara Sträuli ist hier erhältlich:
Harassowitz-Verlag, Wiesbaden
Wissenschaftliche Ausgabe, Text auf Kurdisch und Englisch, mit vielen Fussnoten und Anmerkungen.

Holzwurmprozess

And now, something completely different:

1520 fand in Frankreich ein Prozess gegen Holzwürmer statt.

Man findet die Geschichte in Julian Barnes Buch „Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln“. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Bischof von Besançon besucht eine Kirche in der Provinz (in Mamirolle), nimmt in der Kirche auf dem Bischofsstuhl Platz und stürzt, da der Stuhl unter seiner Leibesfülle krachend auseinander brach, „in die Finsternis der Blödigkeit”. Die Schuldigen waren schnell gefunden: Holzwürmer hatten das Gestühl angefressen. Man startete darauf einen Prozess gegen die Holzwürmer, nach allen Regeln der Kunst. Man stellte ihnen sogar einen Verteidiger.

Der Verteidiger der Holzwürmer warf auch grundlegende prozessuale Fragen auf – wie zum Beispiel die der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift und der Ladung. Wie konnte man den Holzwürmern die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme davon verschaffen, dass und weshalb diese angeklagt wurden, dass diese bei Gericht erscheinen müssen und wann die Verhandlung stattfinden wird? Völlig zu recht verwahrte er sich dagegen, vom Fehlen der Tiere bei der Verhandlung auf deren Schuld zu schließen.

Der Ankläger hingegen argumentierte, dass es sich beim Holzwurm nicht um ein Geschöpf Gottes sondern um ein Geschöpf des Teufels handeln muss, da er wohl kaum von Noah auf der Arche aus Holz mitgenommen wurde, er hätte ja sonst die Arche angefressen. Auch schoss er sich auf den Verteidiger ein, der seine Stellung missbrauchen würde, um teuflische Geschöpfe vor ihrer gerechten Strafe zu schützen.

Letztlich wurden die Holzwürmer, wohl wegen der Arche-Noah-Theorie exkommuniziert. Als Ketzer verbrennen wollte man sie ja wohl nicht, denn dann hätte man die Kirche abfackeln müssen.
Dem Verteidiger aber bestätigte das Gericht, dass er mit guten und anerkennenswerten Gründen die Holzwümer verteidigte.
Diese Geschichte hat mich definitiv davon abgehalten, Juristerei zu studieren! Mit dieser Zunft wollte ich nichts zu tun haben.

Nasreddin und das Leck im Dach

Statt immer nur Grafiken mit Corona Zahlen, hier „something completely different“: Eine der vielen Geschichten um
Nasreddin und Isnogud.
Isnogud ging zu Nasreddin auf Besuch. Es regnete. In Nasreddins Haus stand eine Kübel in der Ecke und es tropfte hinein. Nasreddin sagte: “Es hat eben ein Loch im Dach, daher der Kübel”.
Nach ein paar Tagen besuchte Isnogud den Nasreddin wieder. Es regnete immer noch. Der Kübel stand immer noch in der Ecke. Isnogud fragte den Nasreddin: “Weshalb flickts du denn das Dach nicht?” Nasreddin: “Ich kann doch jetzt nicht aufs Dach steigen und des Loch flicken. Es regnet ja in Strömen!”
Nach einer Woche ging Isnogud wieder zu Nasreddin, diesmal bei schönem Wetter. Der Kübel stand immer noch in der Ecke. Jetzt natürlich trocken. Isnogud zu Nasreddin: “Hast du das Dach immer noch nicht geflickt?” Nasreddin: “Weshalb soll ich denn das Dach flicken? es regnet ja nicht herein!”

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